Das christlich-jüdische Paradoxon

Auf tagesspiegel.de ist ein Artikel von Monika Maron zur Rede des Bundespräsidenten zu lesen: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Anlass sind folgende Worte des Bundespräsidenten:

„Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ (Christian Wulff)

Auf den Artikel oder die Rede von Herrn Wulff will ich gar nicht weiter eingehen, sondern nur auf das „christlich-jüdische Paradoxon“, wie ich es nenne. Denn laut Herrn Wulff (und darin stimmt ihm Frau Maron zu), gehört das Judentum in gleicher Weise zu Deutschland wie das Christentum. Streit besteht nur darüber, inwiefern der Islam dazugehört.

Meines Erachtens stimmt nicht mal die Feststellung, in der sich die beiden einig sind: In der „christlich-jüdischen“ Geschichte steht das „jüdisch“ nur für das christliche Verständnis von „jüdisch“. Das Selbstverständnis der Juden selber wird hierbei völlig ignoriert. Man könnte aus jüdischer Sicht diese Geschichte treffender als „christlich-anti-jüdisch“ bezeichnen. Diese Aussage möchte ich nicht nur einfach in den Raum stellen, sondern auch begründen: Weiterlesen

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Antisemitische Strukturen in der christlichen Theologie

Ich bin tapfer auf einen sehr bemerkenswerten Blogeintrag im Nirgendwo gestoßen: Perfektionierte Juden. Vor allem der vorletzte Satz hat es in sich:

Was dem Christen sein Jude, ist dem Moslem sein Christ.

Die Parallelen zwischen Islam und Christentum haben ihre Grenzen, aber dieser Satz hat meines Erachtens mehr Substanz, als vielen Christen lieb sein dürfte.

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Der Staat und die Nächstenliebe

In der Integrationsdebatte wird so wie auf Herrn Sarrazin wegen seiner Gene auf die Politik wegen ihrer Versäumnisse in der Integrationspolitik eingeschlagen. Aber das, was ich an anderen Menschen kritisieren kann, ist meistens nur ein Spiegel meiner selbst. Genauso ist die Politik, die von der Bevölkerung kritisiert wird, nur ein Spiegel der Bevölkerung selbst und nicht etwas der Bevölkerung Fremdes. Wenn zwischen der Politik und der Bevölkerung ein Graben zu sehen ist, dann ist das nicht der Graben zwischen zwei Klassen, sondern ein Graben in der Bevölkerung selbst und damit in jedem einzelnen von uns (natürlich gibt es eine stochastische Verteilung, einige haben den Graben stärker, andere weniger).

Warum ist Integrationspolitik eigentlich schief gelaufen? Ist es überhaupt so schwierig? Meines Erachtens ja, denn in der Integrationspolitik der westlichen Welt findet eigentlich eine Auseinandersetzung mit dem wohl bekanntesten christlichen Grundsatz statt:

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

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Rezeption von Aussagen (Auflösung)

Ich hatte in einem vorhergehenden Beitrag den folgenden Text vorgestellt:

Ein Vorgesetzter hat einen Mitarbeiter nicht zur Gehaltserhöhung vorgeschlagen. Der Mitarbeiter reichte seine Kündigung ein. Das wurde von den Kollegen bedauert, denn er war allgemein beliebt. Es wurde darüber diskutiert, ob man etwas unternehmen sollte.

Nach 3 Minuten sollte man dann die anschließenden 13 Aussagen mit R (richtig), F (falsch) oder ? (nicht sicher) beantworten: Weiterlesen

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Debattierleitfaden

Ich habe gestern das erste Mal den SPIEGEL gekauft, weil mir ein ein bekanntes Gesicht freundlich entgegenblickte. Der Titel der Ausgabe vom 06.09.10 lautet „Volksheld Sarrazin – Warum so viele Deutsche einem Provokateur verfallen“.

Ein Buch, das Deutschland meiner Meinung nach heute dringender denn je bräuchte: Wie führe ich eine Debatte? Wenn jemand etwas Vergleichbares kennt, bitte ich um sachdienliche Hinweise. Denn sonst ist der Satz „Deutschland debattiert“ gleichbedeutend mit „Deutschland schafft sich ab“. Hier also ein kleiner, unzureichender Leitfaden von meiner Seite:

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Gleichheit und Nicht-Gleichheit

Die Beziehung zwischen der Ungleichheit und der Gleichheit von Menschen entspricht der Beziehung zwischen der abzählbaren Unendlichkeit und der überabzählbaren Unendlichkeit, wie auch der Beziehung zwischen Individuum und Kollektivum:

Jeder Mensch unterscheidet sich als Individuum von jedem anderen Menschen, unabhängig insbesondere von der genetischen Verfasstheit: Zwei eineiige Zwillinge, die zwar genetisch identisch sind, sind trotzdem zwei vollständig voneinander getrennte Persönlichkeiten. Gleiches würde auch für menschliche Klone gelten.

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Angst

Aufgrund einer sehr fruchtbaren Diskussion über die Gefühlskontrolle (vor allem mit Sergej und normanno, danke!) bin ich glaube ich gedanklich der Wurzel für die heftige Debatte um Herrn Sarrazin näher gekommen: Die enorm ausgeprägten Ängste aller Beteiligten.

Angst von Herr Sarrazin vor Überfremdung. Angst der politischen Klasse vor Herrn Sarrazins Aussagen und damit vor ihm. Angst der nicht-deutsch-stämmigen Mitbürger vor Ausgrenzung und Diskriminierung.

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Gefühlskontrolle

Bei allen Vorwürfen, die ich bisher gegen Herrn Sarrazin gehört habe, waren folgende nicht dabei:

  1. Sie schreiben anderen Menschen vor, wie sie zu fühlen haben. Fühlen diese Menschen nicht wie sie sollen, sind diese Gefühle verwerflich.
  2. Sie schreiben anderen Menschen vor, welche Identität sie NICHT haben dürfen. In dem Fall, dass jemand gerade diese Identität besitzt, ist es notwendig, diese Identität aufzugeben und sich zu assimilieren.

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Die Gene Sarrazins

Ich muss jetzt doch mal etwas zu der ganzen Gen-Debatte sagen: Es werden ständig Beobachtung und Interpretation bezüglich genetischer Sachverhalte vermischt.

Die jüdischen Gene

Wie sehr ethnische Gruppen durch genetische Gemeinsamkeiten verbunden sind (oder auch nicht), ist erst einmal Gegenstand einer wertfreien Beobachtung durch die Wissenschaften. Was diese herausfinden ist, solange es nicht interpretiert wird, für die momentane Debatte eigentlich völlig irrevelant. Ob es nun ein Gen gibt, das alle Juden teilen oder nicht, ist mir persönlich völlig egal. Es macht überhaupt keinen Unterschied.

Natürlich bleiben diese Beobachtungen nicht wertfrei, wenn sie interpretiert werden. Man könnte natürlich mit diesem einen gemeinsamen Gen eine Menge Unfug treiben, wie die Frage von Herrn Friedman an Herrn Sarrazin belegt:

Ich habe ihn gefragt, welches spezielle Gen damit gemeint sei und welche Eigenschaften ich aus diesem Gen zu erwarten habe.

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Das verbotene Buch

Ich habe mir heute Thilo Sarrazins Buch gekauft. Als ich in der Berliner U-Bahn das Buch anfangen wollte zu lesen, beschlich mich ein eigenartiges Gefühl. So als ob es etwas Unanständiges sei, was ich tat, und ich fühlte mich beobachtet. Meinem Gefühl nach schien mir, als ob jeder um mich herum das Buch und seinen angeblich abscheulichen Inhalt kenne.

In der Tat sprach mich nicht viel später dann ein junger Mann an, kurz bevor er ausstieg. Was das Buch denn koste. Das konnte ich noch unbefangen beantworten. Dann fragte er mich aber, ob es gut sei, was darin stünde.

Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Hätte ich ehrlich geantwortet, hätte ich gesagt, dass ich davon ausgehe, dass es wesentlich besser und unverfänglicher ist, als es seine politisch korrekten Kritiker wahrhaben wollen (das schließe ich aus den beiden Talkshows „Beckmann“ und „Hart aber fair“, die ich gesehen habe). Statt dessen antwortete ich verlegen: „Na ja, da kann man sich darüber streiten.“

Vor was habe ich Angst, wenn ich das Buch in der Öffentlichkeit lese? Ist die politische Korrektheit zur neuen moralischen Instanz geworden? Ich fühle mich irgendwie manipuliert.

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