Auf tagesspiegel.de ist ein Artikel von Monika Maron zur Rede des Bundespräsidenten zu lesen: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Anlass sind folgende Worte des Bundespräsidenten:
„Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ (Christian Wulff)
Auf den Artikel oder die Rede von Herrn Wulff will ich gar nicht weiter eingehen, sondern nur auf das „christlich-jüdische Paradoxon“, wie ich es nenne. Denn laut Herrn Wulff (und darin stimmt ihm Frau Maron zu), gehört das Judentum in gleicher Weise zu Deutschland wie das Christentum. Streit besteht nur darüber, inwiefern der Islam dazugehört.
Meines Erachtens stimmt nicht mal die Feststellung, in der sich die beiden einig sind: In der „christlich-jüdischen“ Geschichte steht das „jüdisch“ nur für das christliche Verständnis von „jüdisch“. Das Selbstverständnis der Juden selber wird hierbei völlig ignoriert. Man könnte aus jüdischer Sicht diese Geschichte treffender als „christlich-anti-jüdisch“ bezeichnen. Diese Aussage möchte ich nicht nur einfach in den Raum stellen, sondern auch begründen:
Eines der ersten und weitreichendsten christlichen Glaubensbekenntnisse ist das Bekenntnis von Nicäa, formuliert von dem ersten Konzil von Nicäa im Jahre 325 christlicher Zeitrechnung. Die Passage über Jesus Christus ist für das jüdisch-christliche Verhältnis von höchster Bedeutung:
Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist;
Erst sehr viel später (um das Jahr 1200) verfasste Rabbiner Moshe Ben Maiman (auch RaMBaM oder Maimonides genannt) als Antwort auf die anderen Religionen ein vergleichbares jüdisches Glaubensbekenntnis (das eine einzige Glaubensbekenntnis der Juden war schon immer und ist das Schma Jisrael aus 5. Mose 6, 4)1. Mir ist nicht bekannt, dass eine der großen jüdischen Strömungen das Glaubensbekenntnis von Maimonides ablehnt (ich lasse mich aber gern korrigieren). Die ersten drei der dreizehn Glaubenssätze von Maimonides lauten:
I. Ich glaube in ganzem Glauben, dass der Schoepfer, gelobt sei sein Name, jegliche Kreatur schafft und lenkt und dass er allein der Urheber alles dessen ist, was geschah, geschieht und geschehen wird.
II. Ich glaube in ganzem Glauben, dass der Schoepfer, gelobt sei sein Name, einzig ist und dass es keine Einheit seinesgleichen gibt, in keinerlei Hinsicht, und dass er allein unser Gott war, ist und sein wird.
III. Ich glaube in ganzem Glauben, dass der Schoepfer, gelobt sei sein Name, unkoerperlich ist und frei von jeder Moeglichkeit, materiell vorgestellt zu werden; und dass ihm auch keine Gestalt beigelegt werden kann.
Jemand, der Jesus im christlichen Sinne nicht als Gott ansieht und damit das nicäische Glaubensbekenntnis nicht vertritt, sollte um völlige Sprachverwirrung zu vermeiden, nicht als Christ oder zum Christentum zugehörig bezeichnet werden. Das würde z.B. bedeuten, dass die Zeugen Jehovas nicht als eine Richtung des Christentums bezeichnet werden sollte, weil sie mit der Gottheit Jesu fast 2000 Jahre etablierte christliche Überlieferung in Frage stellen.
Gleiches gilt auch für das Judentum: Jemand, der den dritten Glaubenssatz von Maimonides nicht vertritt (weil er eben an den christlichen Jesus glaubt), sollte nicht als Jude bezeichnet oder dem Judentum zugehörig betrachtet werden, weil sonst die Begriffe Christ und Jude bzw. Christentum und Judentum bis zu ihrer Unkenntlichkeit verwischt werden.
Würde man dies berücksichtigen (was meines Erachtens eine sprachliche Notwendigkeit ist), könnte kein Mensch zugleich als Jude und Christ bezeichnet werden (es sei denn, er hat eine gespaltene Persönlichkeit und kann zwei sich gegenseitig ausschließende Glaubenssätze zur gleichen Zeit glauben).
Und das würde auch bedeuten: Seit 325 nach Christus gibt es keine jüdisch-christliche Geschichte mehr, sondern es gibt nur noch eine christliche Geschichte, die über 2000 Jahre hinweg die jüdische Geschichte zu einem Trauerspiel verwandelt hat. Das Abendland wird zurecht als das „christliche“ bezeichnet, die Bezeichnung „christlich-jüdisches“ Abendland wäre schlichtweg paradox und falsch.
Fußnote:
Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ (Christian Wulff)
I
- Da ich kein Jude bin, hat keine meiner Aussagen über das Judentum an sich Autorität und sie sollten daher auf das Schärfste von meinen Lesern geprüft werden. Insbesondere bitte ich meine jüdischen Leser, meine Angaben zu korrigieren bzw. zu bestätigen, so dass sich diejenigen, die keinen leichten Zugriff auf jüdische Quellen haben, sich zumindest einigermaßen sicher sein können, dass hier keine Unwahrheiten über das Judentum verbreitet werden. ↩
Das ist insoweit alles richtig, nur ein Problem liegt vor: Es gibt zwei Wege zum Judentum. Einmal ist es die Konversion auf Grund des Glaubens. Zum anderen ist es einfach eine Abstammungsfrage. Jemand ist jüdisch wenn er eine jüdische Mutter hat. Ein solcher Jude wird nicht automatisch zum Nichtjuden wenn er konvertiert. Er kann Katholik werden, Hind, Sikh oder Moslem und bleibt trotzdem ein Jude.
Ich glaube man sagt „Juedisch-Christlich“ aus zwei Gruenden:
1.) Wenn man sich fuer die Geltung der 10 Gebote in der Gesellschaft einsetzt, ist dies sowohl im Sinne von Chisten, wie von orthodoxen Juden, die nicht an Christus glauben.
2.) Das Christentum sieht sich als „Fortsetzung“ des Judentums, weil Christen und Juden an die goettliche Inspiration des ganzen Alte Testaments glauben. Anders als der Islam: er unterstellt, das Alte Testament (und das Neue) seien verfaelscht worden und haette urspruenglich Mohammed gepredigt. Also nennt sich der Islam zwar abrahamitisch, ist es aber nicht.
Somit ist „Christlich-juedisch“ auch eine Abgrenzung von „islamisch“.
Natuerlich kommen viele Juden in praktischen Fragen zu anderen Resultaten als Christen, daher hat dieser Begriff „Christlich-Juedisch“ sicher auch so seine Schwierigkeiten mit der „Konsistenz“ in der Praxis…
@Wolfgang: Du hast recht, ich habe es wieder geschafft, mein Verständnis von christlich auf mein Verständnis von jüdisch zu übertragen. Die Unterschiede habe ich dabei unterschlagen. Die Vielschichtigkeit der jüdischen Identität macht es mir tatsächlich nicht einfach darüber nachzudenken, aber ich arbeite schon an einem sprachlichen Ansatz, wie sich ein moderner Kopf mit traditionellen Begriffen beschäftigen kann, ohne diese zu verändern und ihrer traditionellen Bedeutung zu berauben. Demnächst werde ich darüber dann einen Beitrag schreiben.
@Roderich: Die Gründe, warum man „jüdisch-christlich“ sagt sind mir denke ich relativ gut bekannt. Aber sie sind halt nur aus christlicher Sicht schlüssig:
1.) Ich habe gerade die zehn Gebote nochmal nachgelesen und mal wieder etwas über meine selektive christliche Wahrnehmung gelernt: Ich wusste nicht, dass das Gebot, den Sabbat zu heiligen, in den zehn Geboten steht. Welche Christen setzen sich in der Gesellschaft dafür ein, dass der Sabbat gehalten wird? Außerdem ist es schwierig, sich kein Gottesbild zu machen, wenn man weiß, dass Gott schon mal als Mensch auf dieser Erde war. Denn wie will man vermeiden, sich ein Bild von einem Menschen zu machen?
2.) Wenn ich mich nicht völlig täusche, sagt das Christentum aus, dass der alte Bund durch den neuen ERSETZT wurde. Die mosaischen Gesetze gelten angeblich nicht mehr, und auf die Weise, wie ein Mensch vor Jesu Dasein als Jude Gott wohlgefällig leben konnte, kann er es laut der Christen heute nicht mehr, weil ja Jesus da war und deshalb jeder, der seitdem nicht die christliche Lehre begreift, der Ewigen Verdammnis ausgeliefert ist (wie ist das eigentlich mit der Ewigen Verdammnis für die Menschen, die die christliche Lehre noch nicht kennen konnten, weil Jesus noch gar nicht gelebt hatte?). Aus christlicher Sicht mag das eine „Fortsetzung“ sein, ich kann allerdings sehr gut nachvollziehen, warum aus Sicht des Judentums das Christentum mindestens genauso fremd wirken muss wie der Islam.
Ich habe den Begriff „christlich-jüdisch“ immer dahingehend verstanden, dass das Christentum auf dem Judentum aufbaut. Daher ist unser Kultur, weil es christlich geprägt ist, auch jüdisch geprägt, ob man das wahrhaben will oder nicht. Dass die Juden dabei in der Geschichte trotzdem immer den Kürzeren gezogen haben, ist leider eine Tatsache.
@gabalis: Ich denke, der Begriff „christlich-jüdisch“ ist so gemeint, wie du es sagst. Meiner Erkenntnis nach hat aber das Christentum sehr früh (spätestens beim Konzil von Nicäa) sich von seinen jüdischen Wurzeln weitestgehend abgeschnitten. Nimmt man den Begriff „heidnisch“ (also nicht-jüdisch), so ist das Christentum meines Erachtens wesentlich heidnischer, als es jüdisch ist. So sind wir in unseren Denkstrukturen den alten Griechen z.B. wesentlich näher, als den alten Hebräern: Die Griechen sagen, „entweder-oder“, die Hebräer sagen „sowohl-als-auch“.
Ich wüsste übrigens nicht, warum ich nicht wahrhaben wollte, dass unsere Kultur auch jüdisch geprägt ist. Ich wünschte mir viel mehr, wir hätten mehr „sowohl-als-auch“ in unserer Kultur. Daher ja auch der Titel meines Blogs ;-).
@Immanuel:
Adventisten setzen sich stark fuer den Sabbat (Samstag) ein. Viele Christen setzen sich fuer die Erhaltung des Sonntags als Ruhetag ein.
Dass Christen sich hier nicht BESONDERS viel engagieren, liegt daran, dass viele Christen sich sowieso zurueckgezogen haben aus gesellschaftlichen Belangen. Aber im Prinzip sollte man sich als Christ durchaus fuer den einen Ruhetag (als Aspekt der Schoepfungsordnung Gottes) in BRD einsetzen.
Was die „Ersetzung“ angeht: selbst die, die eine strenge „Ersatztheologie“ vertreten, sagen, dass das MORALgesetz des Alten Testamentes noch gilt. (10 Gebote). Das ZEREMONIALgesetz ist ja erfuellt in Jesus Christus. D.h. das Opfern von Stieren auf dem Altar ist im Gottesdienst nicht mehr noetig. Denn das Opfer Jesu Christi am Kreuz fuer unsere Suenden war schon vollkommen und perfekt und bedarf keiner Ergaenzung mehr.
Manche Leute unterscheiden dann als drittes noch ein POLITISCHES Gesetz. Hierzu sagen viele, dass man zwar die Prinzipien der Gesetze des Alten Testamentes bei der Gesetzgebung uebernehmen sollte, aber es nicht einfach 1:1 auf die heutige BRD uebertragen kann. Ist ja auch logisch. Ich denke, da waere jeder Jude es auch mit eins: man muss die Prinzipien herauslesen und sehen, wie man es heute anwendet. (Vielleicht nicht der sehr orthodoxe Rabbi Kahane – den muesste man mal dazu fragen; ich nehme an, sie sagen, das AT Gesetz ist heute noch (in Israel) genau so anzuwenden wie frueher; ueber seine genaue Meinung kenne ich mich aber nicht aus).
Sogar Philip Jakob Spener sagte, „es steht Regierungen heute frei, die Gesetze des Alten Testamentes in unserer Gesellschaft einzufuehren“ oder so aehnlich. (D.h. sie muessen es nicht, aber sie koennten es durchaus teilweise tun).
Lies mal das Buch „Politica“ von Althusius aus dem Jahr 1617 (gibt’s auch online auf Englisch. Auf Deutsch kannst Du es kaufen bei Amazon). Althusius (Calvinistischer Christ) bezieht sich sowohl auf Altes als auf Neues Testament und geht wie selbstverstaendlich davon aus, dass dieses auch heute noch relevant und in der Politik und Gesellschaft anzuwenden ist.
Jeder Christ duerfte sich aber einig sein, dass man nicht aus dem „Halten der Gesetze“ gerecht wird, sondern aus dem „Glauben“, d.h. dem Inanspruchnehmen der Tat Jesu Christi. (Man denkt als Christ aber, dass auch Abraham „aus Glauben“, nicht aus Gesetz, gerecht wurde, und dass die „wirklichen Juden“ Gott nicht nur durch Halten der Gesetze, sondern im HERZEN geliebt haben. So heisst es ja auch in 5. Mose: Ach, dass sie ein solches HERZ haetten, mich ihr Leben lang zu lieben…“ und Sprueche 4,23: Achte zu allererst auf dein HERZ. Ausserdem wird der „echte“ Jude auch auf den Messias gehofft haben; eine Hoffnung, die sich – wiederum aus christlicher Sicht – in Jesus erfuellt hat).
Sogenannte „Dispensationalisten“, die meinen, die Moralgesetze oder politischen Gesetze gelten nicht mehr, sind meistens aber sogar die, die am meisten betonen, wir muessten die israelischen Braeuche wieder mehr ernstnehmen.
Die Dispensationalisten beschimpfen die Reformierten oder Lutheraner gerne der „Ersatztheologie“. Dabei geht es aber um die Frage: wer ist das Volk Gottes?
Dispensationalisten sagen: Juden sind das Volk Gottes (noch immer), und Christen sind auch das Volk Gottes.
Reformierte / Lutheraner wuerden sich mehr auf Roemerbrief berufen, wo es heisst: „Nicht der, der nach dem Fleisch (d.h. nach der Geburt) Jude ist, ist damit schon ein Kind Gottes, sondern der, der ein „Kind der Verheissung“ ist (Roemer 9.8)und das heisst heute: nur der, der an Christus glaubt, ist „Kind Gottes“.
Ich denke auch, wenn man Christus nicht hat, hat man den Vater nicht. (Gleichzeitig bleibt die „Berufung“ Israels bestehen, sie muessen nur dem Ruf folgen, siehe Roemer 11,29.)
Ein mehr im „dispenstionalistischen“ Ansatz beheimatetes Buch ist „Israelology. The Missing Link in Systematic Theology“ von Arnold Fruchtenbaum.
Der Vater von Arnold Fruchtenbaum war immerhin der Leiter der Juden in Osteuropa. (Er konnte die ganze Thora auswendig auf den Buchstaben genau. Seine Pruefung war: es wurde ein Nagel durch die Thora geschlagen, und er musste genau sagen, durch welchen Buchstaben auf jeder Seite der Nagel ging. Er bestand die Pruefung).
Arnold Fruchtenbaum (also der Sohn) hat sich dann mit 13 Jahren schon bekehrt, und spaeter diese Dissertation „Israelology“ geschrieben, in der er detailliert auslegt, wo man im Alten Testament ueberall Christus findet, wo also z.B. das Passa-Fest eine Andeutung auf den Tod Jesu ist, oder wie genau das Passa-Mahl auszulegen ist etc. (Er hat noch mehr Buecher in der Richtung geschrieben).
@Roderich: Vielen Dank für deinen lehrreichen Kommentar. Ich finde es toll, dass ich auf diese Weise an Bildung gewinne. Das ist nämlich ein wesentliches persönliches Ziel für mich mit meinem Blog ;-).
Du schreibst, dass ein Ruhetag in der Woche ein Aspekt der Schöpfungsordnung ist. Dazu frage ich mich erstens, ob diese Erkenntnis nicht auch ohne göttliche Offenbarung gewonnen werden kann (ich wollte nicht ohne Wochenende durcharbeiten), und zweitens, worin der tiefere Sinn besteht, dass die Christen den Sabbat durch den Sonntag ersetzt haben, und damit den ersten Tag der Woche zum letzten und umgekehrt gemacht haben. Gott hat nicht am ersten Tag der Woche geruht, er hat am siebten Tag der Woche geruht. Ich kenne momentan keine andere Erklärung, als dass es sich um eine klare Abgrenzung des Christentums gegen das Judentum handelt, indem die Ordnung des Ruhetags auf den Kopf gestellt wird. Insofern würde ich behaupten, dass die Festlegung des Sonntags als Ruhetag „anti-jüdisch“ ist.
In der Praxis ist das übrigens durchaus relevant. Für mich ist der Samstag mehr oder weniger wie ein Werktag, denn die Geschäfte auch am Samstag bis 20:00 Uhr oder länger auf. Wann habe ich vor kurzem meinen Umzug gemacht? Natürlich am Samstag, nicht am Sonntag, schon alleine, weil ich den Transporter nur am Sonntag abholen konnte. Da kam dann schon mal der Gedanke auf, ob ich überhaupt bei jüdischen Freunden wegen Helfen beim Umzug anfragen soll. Man kommt ganz automatisch in Konflikt mit den zehn Geboten.
Wie wird aufgrund der biblischen Schriften eigentlich eine Unterscheidung zwischen Moral- und Zeremonialgesetz gemacht? Ist das Sabbatgebot ein moralisches Gebot? Enthalten die restlichen 603 Gebote (603 + 10 = 613) keine moralischen Gebote, sondern nur zeremonielle Gebote?
Von Arnold Fruchtenbaum habe ich das Buch Jesus war ein Jude gelesen, als ich während des Studiums versucht habe, einen jüdischen Mitbewohner im Studentenwohnheim zum Christentum zu bekehren (ich würde gerne nochmal Kontakt zu ihm bekommen, um mich dafür zu entschuldigen). Mich würde der Nachweis von Fruchtenbaum interessieren, dass Maimonides bei seinem Glaubensbekenntnis falsch liegt. Ich lese gerade ein Buch mit Lebensgeschichten von messianischen Juden, weil ich mich sehr dafür interessiere, wie diese Menschen es schaffen, Christentum und Judentum zu vereinen (was mir aus theoretischer Sicht unmöglich erscheint). Ich habe schon einige interessante Beobachtungen gemacht, diese sind aber noch nicht spruchreif, weil ich das Buch noch nicht fertig gelesen habe.
@ Immanuel: Ich habe natürlich nicht gemeint, das DU es nicht wahrhaben willst, sondern „man“ im allgemeinen Sinn! Es gibt aber durchaus Leute, die es nicht wahrhaben wollen.
Was die Samstag/Sonntag-Frage angeht: ich nehme an, dass auf den 1. Tag der Woche umgestellt wurde, weil an einigen Stellen im NT der 1. Tag besonders erwähnt wird (Apg 20:7, 1. Kor 16:2): man traf sich dann, weil Jesus am 1. Tag der Woche auferstanden ist.
@gabalis: Ist die christliche Erklärung dafür, warum der 1. Tag der Woche als Ruhetag eingeführt wurde, für dich gewichtig genug, um eine Aufhebung eines der 10 Gebote zu rechtfertigen? Und wenn nein, warum wurde es dann trotzdem getan?
Ich kann da vielleicht aushelfen:
Talmud:
„Jisrael af al pi schechata, Jisrael hu.“
Ein Jude bleibt ein Jude, auch wenn er sündigt.
b Sanhedrin 44a
Man tritt bei einem Giur übrigens nicht dem jüdischen Glauben bei, sondern man tritt dem jüdischen Volk über den Glauben bei.
Yael, könnte man also jüdischen Glaubens sein, obwohl man halachisch gesehen kein Jude ist?
Nein, man muss Jude sein. Unabhängig davon geht es nicht. Juden sind ein Volk und eine Religionsgemeinschaft. Das ist nicht trennbar.
@ Immanuel
Ich finde es passend genug, zumal wir nirgends im NT angehalten werden, den Sabbat zu halten. Wobei die anderen 10 Gebote schon in der einen oder anderen Form auftauchen.
@gabalis: Mir scheint, man würde den Christen nicht viel wegnehmen, wenn man ihnen das Alte Testament nähme. Denn offensichtlich scheint aus dem Alten Testament für das Christentum nur das relevant zu sein, was man ohnehin schon aus dem Neuen Testament weiß. Oder kannst du mir ein Gegenbeispiel nennen? Mir fällt spontan keines ein.
@Immanuel:
Oh, da gibt es viele Beispiele…
– Schoepfung, Suendenfall (die urspruenglich GUTE Schoepfung wird im NT nicht so explizit erwähnt, höchstens kurz darauf hingewiesen).
– Gesetze Israels (von Gott durch Mose offenbart), die Gottes Massstab der Gerechtigkeit verkoerpern, und aus denen man auch Prinzipien fuer die heutige Gesellschaft ableiten kann (wenn auch keine 1:1 Uebertragung)
– Psalmen (wie man zu Gott betet)
– Daniel (nach manchen Auslegungen enthaelt das Buch Prophetien ueber die Zukunft)
– Alle Geschichtsbuecher des AT (sie zeigen das Handeln Gottes in der Geschichte, und die Konsequenzen fuer ganze Voelker, wenn sie Gottes Gebote halten oder nicht halten).
– Alle Prophetenbuecher des AT (was z.T. noch passieren wird)
– Sprueche (Weisheit fuer den Alltag).
(Und allgemein: für die Autoren des NT war „Die Heilige Schrift“ das Alte Testament, denn das Neue Testament gab es noch gar nicht… ).
Also, da wuerde mir schon sehr viel fehlen, wenn Du Bundeskanzler mit weitreichend ermaechtigter Vollmacht wuerdest und mir das AT wegnähmest… 🙂
(Lieber Immanuel, was ich nun immer weniger verstehe: Du warst viele Jahre lang Christ in einer bibeltreuen Gemeinde. Du schreibst viele intelligente Dinge. Aber irgendwie scheinst Du während Deines Christseins Dein Denken abgestellt zu haben. Sonst würdest Du nicht heute solche seltsamen Fragen über das Christentum stellen. Das ist nicht böse gemeint. Ich finde das nur hochinteressant. So intelligent. Und war so lange dabei. Und dann – in einem fort fast – solche Fragen… that’s too deep for me…)
(Ich kann mir ja vorstellen, dass man in manchen Gemeinden nicht ermutigt wird, zu denken. Aber Du sagtest ja mal, dass Du C.S. Lewis schon kanntest etc. Also… was hast Du mit Deinem grossen Verstand gemacht, als Du in christlichen Gemeinden warst – hast Du ihn (nolens oder volens) abgestellt?).
Hallo Roderich! Was du über das Alte Testament schreibst, klingt ein bisschen wie „Training im Christentum für Fortgeschrittene“. Mir ist schon klar, dass das Alte Testament für die Christen durchaus seine Bedeutung hat, aber ich habe erst dieses Jahr bei dem gleichen christlichen Seminar, bei dem du auch warst, ganz offiziell gehört: „Das Alte Testament wird nach dem Neuen Testament ausgelegt.“ Für die Christen ist das Neue Testament das Fundament, die Basis. Und auf dieser Basis wird an das Alte Testament herangegangen. Die Zweige tragen aber nicht den Stamm, sondern der Stamm trägt die Zweige. Das Pferd wird so von hinten aufgezäumt. Der Umgang mit dem Sabbatgebot ist nur eines von nicht wenigen Beispielen dafür.
Wegen meiner Biographie: Es gibt zwei Erklärungsmöglichkeiten dafür, dass ich das Christentum hinter mir gelassen habe. Die erste ist, ich habe es verlassen, weil ich es nicht ausreichend oder nicht richtig verstanden habe, die zweite ist, ich habe es verlassen, weil ich es verstanden habe.
Aus christlicher Sicht ist nur die erste Möglichkeit möglich. Denn hätte ich die Wahrheit richtig verstanden, hätte sie sich mir als Wahrheit gezeigt (was ja auch die bisher meiste Zeit meines Lebens der Fall war). Da sie es letztendlich aber offensichtlich nicht getan hat, kann ich sie nicht richtig verstanden haben. Ob ich seltsame Fragen stelle oder nicht, macht keinen Unterschied: Ich muss das Christentum ganz einfach falsch verstanden haben, sonst würde ich es nach wie vor vertreten.
Es gelingt mir aber beim besten Willen nicht, ein grundlegendes Missverständnis zwischen mir und dem christlichen Glauben zu entdecken. Ich lasse es nicht hinter mir, weil ich Dinge darin nicht verstehe, sondern ich lasse es hinter mir, wegen der Dinge, die ich verstehe.
Viel mehr dazu ist vermutlich zwischen uns nicht kommunizierbar: Das, was du geprüft und für wahr befunden hast, habe ich geprüft, und habe es für nicht wahr befunden. Ob ich damals meinen Verstand abgeschaltet hatte oder ob er es heute ist, ich kann es nicht beurteilen. Vielleicht macht es auch keinen großen Unterschied, ob abgeschaltet oder eingeschaltet, zumindest bei mir scheint mir das manchmal der Fall zu sein …
@Immanuel,
es ist durchaus denkbar, dass Leute das Christentum sehr gut verstehen und sich irgendwann trotzdem abwenden. Das wollte ich also gar nicht gesagt haben. (Es gibt ja noch eine dritte Moeglichkeit. Glauben oder Zweifeln ist ja nicht nur eine Verstandesangelegenheit, sondern auch eine Willensangelegenheit. Einfachstes Beispiel, bei Dir bestimmt unzutreffend und daher hier unverfaenglich: man ist glaeubiger Christ, hat eine attraktive und huebsche Sekretaerin, faengt dann in einem Moment der Schwaeche eine Affaere an, das wiederholt sich, und irgendwann nervt einen die Diskrepanz zu den Glaubensueberzeugungen, die man eigentlich hat, und faengt daher an, die eigenen Glaubensueberzeugungen in Frage zu stellen. Wie es heisst im Brief an die Hebraeer: man kann „verstockt“ werden durch den Betrug der Suende.) „Erkenntnis und Interesse“ koennen also durchaus zusammenhaengen (siehe Buch Habermas), und ich denke nicht, dass der Mensch 100% objektiv ist. Nur wenn der Mensch 100% objektiv waere, dann gaebe es als einziges die beiden Alternativen, die Du oben ausgefuehrt hast.
Das aber nur in der „Theorie“. Ich beziehe das nicht auf Dich.
Ausserdem kann man ja auch intellektuelle Zweifel haben – so wie Du sie ja offenbar u.a. hast.
Es ist natuerlich recht wenig zielfuehrend, ueber die Motivation von anderen zu spekulieren, die man nie getroffen hat und nicht kennt. Und selbst wenn ich „ein prophetisches Wort“ haette, so wuerde das wohl recht wenig bringen, das ueber’s Internet zu kommunizieren. 🙂
Ich hatte mich halt nur gefragt, wie ich mir manche Deiner Fragen erklaeren sollte. (Und kann manche davon auch immer noch nicht ganz nachvollziehen…)
Diese Beispiele belegen, dass der Beweis der Existenz aller Dinge nicht unbedingt bedeuten muss, dass wir diese Dinge selbst sinnlich wahrnehmen können. Sie existieren schon deshalb, weil wir ihre Auswirkungen sehen oder weil wir (wie der Blinde) anderen glauben, die sie sehen. Wir glauben, dass G-tt keinen Körper und auch keine Art von Körper besitzt. Er ist überall und erschafft Zeit und Raum. Per Definition können wir Ihm keine körperliche Beschreibung zuschreiben. Daher können Menschen G-tt nicht sehen. Um die Existenz G-ttes zu beweisen, müssen wir entweder Seine Auswirkungen mit eigenen Augen sehen, oder jenen, die dies können und Seine Auswirkungen gesehen haben, vertrauen.
Hallo Lakeisha,
herzlich willkommen. Ich finde sehr interessant, was du schreibst!
Wie meinst du das mit dem „Beweisen“? Ich hätte jetzt spontan „ich glaube“ und „ich habe einen Beweis“ als etwas sich Ausschließendes aufgefasst. Du weißt, griechische Denkwurzeln ;-).
Aber vielleicht kannst du mir ja irgendwie erklären, inwiefern es die Existenz G-ttes beweist, wenn ich Menschen vertraue, die Seine Auswirkungen gesehen habe.
Hallo Miteinander,
bin gerade auf diese Seite gekommen, als ich etwas über Maimonides suchte. Ich finde die Diskussion sehr interessant und würde gern kommentieren. Aus Zeitgründen hier nur ein Hinweis zur Rolle des Alten Testamentes. Es ist nicht das „alte“, sondern es ist der erste Teil der Bibel und der neue Bund ist auch kein Bund speziell für die Christen (Nichtjuden), sondern eine Bunderneuerung für die Juden. Christen partizipieren.
(siehe Jer. 31,31 ff und Hebr. Brief).
Eine kurze Einführung zur Bedeutung des AT für Christen finden sie in einer Predigt vom verg. Sonntag. Dort ist gerade eine neue Predigtreihe über das AT.
Siehe Mediathek unter dem Thema „Momentum“. In der Mediathek gibt es erst drei Predigten über Feste. Die aktuelle kommt wohl in paar Tagen.